Obwohl bereits der Vereinsname Heimatverein Flörsheim am Main von 1924 e.V. auf das Gründungsjahr hindeutet, eröffnen sich eine Reihe von Schwierigkeiten, diese Angabe auch zu verifizieren. Eigentlich sollte man meinen, daß ein Verein, der sich der Erforschung der lokalen Geschichte verschrieben hat, über seine eigene genauestens Bescheid weiß. Dies ist jedoch nicht der Fall. In den schriftlichen Unterlagen findet sich keine Gründungsurkunde, auch keinerlei andere Dokumente, die dieses Datum genau erschließen lassen. Es bedurfte deshalb einiger detektivischer Nachforschungen. Schließlich wollten sich die Mitglieder des Vereins weder blamieren, noch sich dem Vorwurf der Geschichtsklitterei aussetzen.
Aus einer 1954 von Jakob Dehn niedergelegten Notiz ergaben sich die ersten Spuren. Unter der Überschrift „Gründung des Heimatvereins“, schrieb Dehn: „Es war das Jahr 1924. Unter Anregung von Bürgermeister Lauck bildete sich ein kleiner Kreis von Heimatforschern und Heimatfreunden. Dieser nannte sich Altertumsverein. Als Verein war er nicht direkt eingetragen, sondern mehr eine lose Vereinigung von Interessenten“. Da Jakob Dehn von Anfang an zu diesem Kreis gehörte, kann seiner Mitteilung Glauben geschenkt werden. Was Dehn in dieser Notiz verschweigt oder unwissentlich übersehen hat, ist die Tatsache, daß es sich bei dieser in Flörsheim gegründeten Vereinigung nicht um einen eigenständigen Verein, sondern um eine Ortsgruppe des Vereins für nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung mit Sitz in Wiesbaden gehandelt hat. 1909 war Bürgermeister Jakob Lauck als Privatperson Mitglied dieses Vereins geworden. Die Gemeinde Flörsheim trat bereits 1908 diesem Verein bei. Dies ergibt sich aus dem im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden archivierten Mitgliedsbuch des Vereins. Von 1923 bis 1925 wurden die Zu- und Abgänge der Mitglieder jedoch nicht verzeichnet, weil – wie eine Eintragung erkennen läßt – die Inflation und die damit zusammenhängenden Turbulenzen das Vereinsleben nachhaltig gestört hatten und „eine Überprüfung des Mitgliederstandes nicht möglich gewesen sei“. Auch der Schriftverkehr des Vereins ist für das Jahr 1924 nicht gesammelt worden. Als Bürgermeister Lauck am 15. Oktober 1927 sein 25jähriges Dienstjubiläum feierte, sandte ihm der Vorstand des Wiesbadener Vereins ein Glückwunschschreiben, in dem darauf hingewiesen wurde, daß Lauck „sich neuerdings durch die Gründung einer Ortsgruppe in Flörsheim ein besonderes Verdienst um unseren Verein erworben (habe)“. Auch für die folgenden Jahre ist die Existenz einer Ortsgruppe nachgewiesen, die von Jakob Lauck geführt wurde. Schriftführer war der Gemeindebedienstete Georg Janz.
Bürgermeister Jakob Lauck war nicht nur Vorsitzender, sondern Initiator und Motor der Gruppe. Bereits zuvor hatte er mit einer Reihe von Veröffentlichungen sein Engagement in der Lokalgeschichtsforschung unter Beweis gestellt. Beispielhaft seien seine Aufsätze und Bücher „Heimsuchung Flörsheims in den verschiedenen Kriegen der vorigen Jahrhunderte“ (1917) und „Flörsheims Marktprotokolle“ (1917) genannt. Später kamen die Schriften über „Pfarrer Laurentius Münch“ (1926) und „Erläuterungen zu der Übersichtskarte der Gemarkung Flörsheims“ (1931) und die „Besiedlung der Gemarkung Flörsheim am Main“ (1935) hinzu. Daneben ist der Schlossermeister Philipp Schneider zu nennen, der über mehrere Jahrzehnte hinweg eine Vielzahl von Arbeiten zur Flörsheimer Geschichte geschrieben hat. Der Bäckermeister Jakob Dehn und der Fischer Franz Karl Peter Nauheimer waren die weiteren Autoren heimatgeschichtlicher Aufsätze. Ein breites Podium für diese Arbeiten bot Heinrich Dreisbach sen., in dessen Flörsheimer Zeitung die meisten Veröffentlichungen erfolgten. Neben den genannten Personen arbeiteten Bauunternehmer Martin Kilb und Zimmermeister Georg Mohr III von Anfang an mit. Neben der Auswertung der alten Gerichtsbücher und der Gemeinderechnungen waren öffentliche Vorträge und die archäologische Arbeit vor Ort eine Hauptaufgabe des Vereins in dieser Zeit.
Die Gründung der Ortsgruppe im Jahr 1924 war kein zufälliges Ereignis. Abgesehen davon, daß die Tätigkeit von Otto Schwabe in Hochheim und von Wilhelm Sturmfels in Rüsselsheim Vorbild und Anregung war, kam noch ein weiteres Moment hinzu. Heimatgeschichtsforschung in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg wurde auch als Selbstbehauptung verstanden und diente der Identitätsfindung. Insbesondere die Niederlage im Krieg, die Besetzung des Ortes durch französische Truppen ab Dezember 1918 und die Separatistenbewegung ließen das Selbstwertgefühl vieler Flörsheimer ins Wanken geraten. Der Blick zurück sollte Anlaß zur Ermutigung sein.
1932 erfolgte eine Umgründung. Die Ortsgruppe des Nassauischen Altertumsvereins formierte sich als nun eigenständiger Verein und nahm den Namen „Heimatverein Flörsheim am Main“ an. Einzelne Mitglieder blieben daneben auch weiterhin Mitglied im Nassauischen Altertumsverein, schon um dessen Jahrbuch, die Nassauischen Annalen, zu einem vergünstigten Preis zu erhalten. In den folgenden Jahren initiierte der Heimatverein nach dem Abzug der französischen Truppen die Errichtung des Befreiungssteines in der Nähe der Kriegergedächtniskapelle. Ein Heimatfest, ein Heimatabend mit 800 Besuchern in der Turnhalle und eine Ausstellung in der Gaststätte Schützenhof waren weitere Aktivitäten. Besonders stolz war der Verein darauf, von seinen Mitgliedern keine Beiträge zu verlangen. Dafür war allerdings das aktive
Engagement der Mitglieder gefordert. Der Heimatverein verstand sich damals auch als Dorfverschönerungsverein und beteiligte sich an Aufräumarbeiten in der Gemarkung, stellte Bänke auf und unterhielt im Winter Futterplätze für Vögel.
Das größte Projekt des Heimatvereins in dieser Zeit war – bereits unter dem Vorsitzenden Georg Schichtel – die Konzeption und Aufführung des „Spiels vom Verlobten Tag“. Schichtel, Philipp Schneider und Adam Bertram bemühten sich seit 1925, der Einwohnerschaft Flörsheims die Ereignisse des Pestjahres 1666 durch ein Heimatspiel näher zu bringen. Erste Versuche scheiterten. 1933 konnte der Lehrer Georg Habicht als Autor gewonnen werden. Nach Fertigstellung des Manuskriptes ließ der Verein 2000 Exemplare des Textbuches drucken. Den Nazis paste das Stück gar nicht.
Es wurden dann 1934 vier Aufführungen mit je 650 Besuchern, die 5 Stunden den 80 Mitwirkenden gebannt zuschauten. Die Nationalsozialistische Gemeindeverwaltung verhinderte 1935 eine Aufführung, 1936 konnten jedoch wieder drei ausverkaufte Aufführungen stattfinden. Hinsichtlich der weiteren Aktivitäten mußte der Verein sein Engagement in der Öffentlichkeit reduzieren. Philipp Schneider, Jakob Dehn und Franz Karl Peter Nauheimer fanden mit ihren heimatgeschichtlichen Aufsätzen jedoch weiterhin in der Flörsheimer Zeitung eine geeignete Plattform. Weitere Arbeiten konnten, der Thematik wegen, jedoch erst nach 1945 veröffentlicht werden.
Nach 1945 setzte der Verein mit Georg Schichtel, Hans Biemer und Fotograf Otto Stöhr als Vorsitzende seine Arbeit fort. Nach der Stadterhebung 1953 erhielt der Verein den Mainturm als Magazin und Ausstellungsraum. Anfangs waren die gesammelten Exponate in der Privatwohnung von Jakob Lauck, dann auf dem Speicher des Rathauses in der Bahnhofstraße und dem Boden der Kirchschule und der Riedschule gelagert gewesen. Nunmehr konnte der Verein daran gehen, seine Sammlungen auszuwerten, zu katalogisieren und auszustellen. Das Nachbarhaus neben dem Mainturm diente später als zusätzlicher Raum für Ausstellungen, Veranstaltungen und als Depot. Von 1965 bis 1967 leitete der Verleger der Flörsheimer Zeitung Heinrich Dreisbach sen. den Verein als Vorsitzender. Danach mußte auch der Heimatverein den notwendigen Schritt des Generationenwechsels vornehmen. Die langjährigen Leistungsträger des Vereines hatten zu diesem Zeitpunkt das Alter von 80 Jahren bereits überschritten. Am 18. Mai 1967 wurde der damalige Bürgermeister Josef Anna zum neuen Vorsitzenden des Vereins gewählt. In seine Amtszeit bis 1992 fallen eine Vielzahl wichtiger Ereignisse. Die alten Gerichtsbücher wurden restauriert und neu gebunden, die Kalköfen an der Ziegelhütte, konnten erhalten werden. Es begann der Ankauf der Fayencen der Flörsheimer Fayencefabrik und der Erwerb einer Reihe von Bildern der Mitglieder der berühmten Flörsheimer Malerfamilie Schütz. (18.Jahrhundert)
1978 übernahm der Heimatverein sein neues Domizil, den Frankfurter Hof, eine Hofreite aus dem Jahr 1724 in der Hauptstraße. Nach Umbau und Renovierung erfolgte der Umzug vom Mainturm in die neuen Räumlichkeiten und im Juli 1980 die Neueröffnung des Museums. Seit dieser Zeit konnte der Heimatverein mit einer Reihe von Sonderausstellungen an die Öffentlichkeit treten, u.a. über die Malerfamilie Schütz, historische Grenzsteine, deutsches Fachwerk, die Flörsheimer Maler Weber und Stöhr, Bad Weilbach, die Geschichte der Post in Flörsheim und über das Notgeld. Unter Auswertung der Archivalien entstanden in dieser Zeit mehrere Abhandlungen, so von Jurist Axel Schultze-Petzold über das Flörsheimer Gerichtsbuch von 1447, von Karl Schafft über die Flörsheimer Fayencen sowie von Richter Werner Schiele über die Geschichte der SPD und eine Biographie des Flörsheimer Ehrenbürgers MdB Jakob Altmaier.
Von1992-1999 amtierte Lehrer Diether Klockner als Vorsitzender. In dieser Zeit wurde das Archiv insgesamt neu geordnet und nach der Neukonzeption des Stadtarchives in dieses überführt. Die Archivalien waren nunmehr im Gebäude der ehemaligen Grabenschule untergebracht. Hierdurch wurde der 1.Stock des Frankfurter Hofes frei und kann nunmehr als Ausstellungsfläche für die in den vergangenen Jahren erworbenen Bilder der Malerfamilie Schütz genutzt werden. Nach umfangreichen Vorarbeiten erfolgte 1996 die Neueröffnung des Ausstellungsraumes zur Vor- und Frühgeschichte. Als Sonderausstellungen hat der Heimatverein ab 1992 Bilder von Johann Weber (1993), Siebdrucke von Dieter Dingeldey (1994) und Ikonen (1996) gezeigt. Über den Bombenkrieg und die Schülersoldaten in Flörsheim informierte eine Ausstellung im Jahr 1995. 330 Jahre nach der Pestseuche von 1666 verlegte der Heimatverein das Textbuch von Kaufmann Wolfgang Stock „Das Neue Spiel vom Verlobten Tag“ und erinnerte in einer großen Ausstellung an dieses Ereignis. Die 150jährige Geschichte des Gesangvereins Sängerbund war Thema einer Ausstellung im Jahr 1997. Die Flörsheimer Kinogeschichte wurde im folgenden Jahr lebendig.
Seit 1992 tritt der Heimatverein, teilweise in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt der Stadt und dem Historischen Verein Rhein-Main-Taunus, regelmäßig als Veranstalter von Vorträgen an die Öffentlichkeit. Themen sind hierbei nicht nur Flörsheimer Lokalgeschichte, sondern historische und kulturelle Ereignisse im südhessischen Raum. In den Jahren 1999 bis 2001 beleuchtete und erklärte der jetzige Vorsitzende Dr. Bernd Blisch in der Reihe „Kunstwerk des Monats“ eine Vielzahl von im Heimatmuseum ausgestellten Gemälde, Graphiken und Fayencen. Eine literarische Reise an Main und Rhein stellte im Jahr 2003 deutsche Literatur im lokalen Umfeld vor. Jedes Jahr veranstaltet der Verein auch weiterhin mindestens eine Sonderausstellung. Die Maler Franz Schütz und Johann Weber, die Flörsheimer Kerb, die Fassenacht, Flurkreuze und Kapellen in der Gemarkung, Volksfrömmigkeit, die Kriege 1792 bis 1815 und der Erste Weltkrieg mit den Auswirkungen in Flörsheim waren, um nur einige Beispiele zu nennen, Themen dieser Ausstellungen.
Auch die Veröffentlichung lokalgeschichtlicher Literatur war weiterhin Anliegen des Vereins. Ab 1999 erscheinen die „Flörsheimer Geschichtshefte“ mit jeweils mehreren Aufsätzen. Werner Schiele publizierte 1999 sein umfassendes Werk „Juden in Flörsheim – Die Geschichte einer Minderheit auf dem Lande“ sowie 2016 das Buch „Zugfahrten in den Tod – Die Deportationen der Flörsheimer Juden in die Vernichtungslager 1941 bis 1945“. Über das druckgraphische Werk der Flörsheimer Malerfamilie Schütz erschien 2015 das Buch „Erhabene Natur – Vaterländischer Strom – Romantischer Rhein“ des Vorsitzenden Bernd Blisch. Das Flörsheimer Metzgerhandwerk war 2010 Gegenstand des Buches „Ein Lob der Lewwerworscht“ von Peter Becker. Der gleiche Autor veröffentlichte 2014 eine umfangreiche Abhandlung über den Ersten Weltkrieg und seine Auswirkungen auf die Flörsheimer Gesellschaft unter dem Titel „In den Schützengräben des Wahnsinns schrien die Soldaten nach der Mutter oder Gott“.
Im Zusammenhang mit der 75-Jahr-Feier 1999 erhielt der Verein in Anerkenntnis seiner Verdienste um die Geschichtsforschung die Stadtplakette in Silber und 2009 den Preis für bürgerschaftliches Engagement in der Kategorie Kultur.